2. Fachsymposium zum

Ausbau des Frankfurter Flughafens

Die Leistungsfähigkeit von Verbundkonzepten

Zusammenfassung der Vorträge

 

Wichtige Ergebnisse:

 

 

Die Tagung im Einzelnen:

Einleitung

Prof. Dr. Martin Kaltenbach

Em. Prof. Universität Frankfurt

Martin Kaltenbach erläuterte nach der Begrüßung die Aufgabe des Symposiums: Nicht Ziel der Tagung ist es, fertige Lösungen zu bieten – das ist in einer Marktwirtschaft Aufgabe der Unternehmer und Unternehmen. Ziel der Tagung ist es vielmehr, Alternativen zum Ausbau des Frankfurter Flughafens aufzuzeigen. Die Alternativenprüfung ist zwingender Bestandteil von Raumordnungs- und Planfeststellungsverfahren, dennoch nahm sie im Mediationsverfahren nur geringen Raum eingegeben. Während Wirtschaftsthemen, deren rechtliche Relevanz gering ist, mit umfangreichen Gutachten bearbeitet wurden, sind die verkehrstechnischen Alternativen zum Flughafenausbau spärlich behandelt worden. Dies merken die Kontrollgutachter zu den schriftlich erstellten Gutachten an. Dies gilt erst recht für die spärlichen Ergebnisse der von Niemandem begutachteten Expertenhearings. Das Symposium will diese Lücke an Informationen füllen. Abschließend wünschte Prof. Kaltenbach der Tagung einen guten Verlauf.

 

Dr. Jochen Langen

Ministerialdirigent, Stellvertr. Aufsichtsratsvorsitzender der Flughafen Hahn GmbH

Dr. Langen erläuterte, dass beim Flughafen Hahn derzeit sowohl eine Zunahme derPassagiere als auch der Frachtzu beobachten ist. Für das Land Rheinland-Pfalz sind der Arbeitsmarkt und die Strukturpolitik am Flughafen Hahn von Interesse. In Hahn sind 1.200 Arbeitsplätze im Zusammenhang mit dem Flughafen entstanden (mehr,als zu Zeiten der Amerikaner). Das Wachstum Hahns ist nicht durch Verlagerung von Verkehr aus Frankfurt begründet. Hahn hat vielmehr mit innovativen Ideen und Konzepten neue Kunden akquiriert.

Der Verbund Hahn mit Frankfurt funktioniert. Hahn profitiert von Frankfurt, indem Hahn Zugang zum internationalen Markt bekommt. Große Airlines fassen zu einem Newcomer-Airport leichter Zutrauen, wenn ein Verbund zu einem bekannten leistungsfähigen Flugplatz besteht. Umgekehrt bringt Hahn für Frankfurt neue Slots, 24-h-Flugmöglichkeiten, Entwicklungsflächen, kostenloses Parken und eine positive Grundstimmung in der Bevölkerung mit.

Frankfurt ist eine effiziente Drehscheibe und durch Hahn nicht zu ersetzen. Eine Zusammenarbeit in dieser Hinsicht ist wegen der Umsteigezeiten nicht möglich. Allerdings ist eine Zunahme der Direktflüge zu beobachten, diese Flüge können von Frankfurt nach Hahn verlagert werden, ebenso der Charter- und Frachtverkehr.Auch für die Nachtpost ist eine Verlagerung möglich, allerdings mit zusätzlichen Aufwendungen verbunden.

Investieren will das Land in die Straßen- und Schienenanbindung. Die Straßenverbindung nach Westen zur Autobahn wird 4-spurig in den nächsten Jahren ausgebaut. Nach Osten Richtung Trier und Luxemburg ist ebenfalls ein Ausbau projektiert, der einen Hochmoselübergang einschließt. Die existierende Schienenverbindung zum Rhein-Main-Gebiet wird modernisiert.

Dr. Langen erinnerte abschließend daran, dass alle Pläne Makulatur seien, solange der Kunde nicht mitzieht. Das starke Wachstum bei Fracht und Passage zeigten aber, dass dann, wenn die Airlines attraktive Konzepte entwickelten, der Kunde bereit sei, den Flughafen Hahn zu benutzen.

Diskussion:

Frage: Ist eine Schienenanbindung Richtung Trier geplant? Langen: Nein.

Frage: Gibt es für Hahn Vorbilder erfolgreicher Newcomer-Flughäfen? Langen: Ja, spontan fällt mir Paderborn ein, der von ganz unten eine gute Entwicklung geschafft hat.

Frage: Sie waren recht unverbindlich. Will die FAG als Hauptanteilseigner Hahn überhaupt aktivieren? Langen: Ja, sicher. Frankfurt reicht bei weitem nicht aus. Meiner Meinung nach kann man aber nicht einfach zu den Airlines sagen: `Frankfurt ist an seiner Kapazitätsgrenze angelangt; Frankfurt ist zu; ihr müsst nach Hahn gehen΄. Man muss sie überzeugen, freiwillig zu gehen. Das ist schwierig.

Frage: Sie sagten, Airlines wechselten nicht gern – z.B. nach Hahn. Vor dem Abwandern nach Amsterdam warnen Sie aber. Ist das nicht ein Widerspruch in sich? Langen: Nein, in jedem Fall muss man global denken. Hahn jagt sogar Amsterdam Kunden ab. Warum die Mediation strikt 45 Minuten Umsteigezeit festgelegt und damit Hahn weitgehend ausgeschlossen hat, weiß ich auch nicht.

Statement: (aus dem Publikum) Die 45 Minuten Umsteigezeit liegt an den Buchungscomputern der Reisebüros. Die erfassen aber alle Verbindungen bis 3.30 h. Insofern ist die Zahl viel zu streng. Mit diesen 45-Minuten wurde im Mediationsverfahren die Zahl der einzubeziehenden Alternativen nach unten manipuliert.

[Anmerkung: im weiteren Verlauf der Tagung wurde deutlich, dass die Buchungen zunehmend über das Internet erfolgen. Im Internet werden die Verbindungen nach den Kosten, nicht nach den Reisezeiten sortiert. Insofern verliert die Länge der Gesamtreisezeit an Bedeutung. Bei den traditionellen Buchungscomputern standen kürzere Verbindungen vorne in der Liste und wurden von den Reisebüros aus Bequemlichkeitsgründen häufig den Reisenden vorgeschlagen.]

Frage: Um Berlin herum sind zwei Großflughäfen mit Hub-Qualität geplant. Die werden doch für Frankfurt Entlastung bringen. Warum ist im Mediationsverfahren davon überhaupt nicht die Rede? Es fehlt doch eine Gesamtplanung. Das ist doch nur Stückwerk. Langen: Dazu kann ich nichts sagen.

 

John Rowcliffe

Prev. Deputy Secretary UK Department of the Environment

John Rowcliffe war als früherer Beamter im Umweltministerium u.a. mit dem Projekt eines neuen Großflughafens vor der Küste von Essex betraut. Der Großflughafen bot mit 4 unabhängigen Bahnen eine fast unbegrenzte Kapazität und hätte mit den über dem Meer stattfindenden An- und Abflügen die Lärmbelastungen auf einen Minimalwert reduziert. Das Projekt fand bei der BAA, der Betreiberin der Londoner Flughäfen keine Unterstützung. Rowcliffe äußerte den Eindruck, dass Airlines und Flughafenbetreiber lieber von ihren angestammten Strukturen aus operierten, als Neuland zu wagen. Als dann der Ölpreisschock kam, wurde das Projekt zunächst zurückgestellt und dann nicht wieder aufgegriffen.

Das Denken in mehreren Flughafenstandorten hat in England Tradition. Heathrow wurde 1946 eröffnet. Gatwick kam bereits 1958 und Stansted 1985 dazu. Insgesamt hat London 5 Flughäfen. Heathrow wickelt 60% des Gesamtverkehrs ab. Die Entfernungen der Flughäfen betragen bis zu 120 km. Das ist für Umsteigevorgänge sicher zu lang – obwohl es Busverbindungen zwischen den Flughäfen gibt. Aber es hat sich eine funktionsfähige Arbeitsteilung zwischen den Flughäfen herausgebildet. Heathrow und Gatwick wickeln internationalen Verkehr ab. Sie bilden eine Art dualen Hub. Stansted hat sich auf Billigverkehr spezialisiert und sich auf mittlerweile 10 Mio Passagiere hochgearbeitet. Das Geheimnis für die funktionierende Arbeitsteilung der Lononder Flughäfen ist der Wunsch der Kunden nach billigem Fliegen: "We all like flying, flying cheap". Das führt dazu, dass Passagiere Kompromisse machen und auch von ungünstigeren Standorten aus abfliegen, wenn andere Parameter, z.B. der Preis, stimmen.

Es wurden immer wieder Vorstöße unternommen in Heathrow und Gatwick weitere Startbahnen zu bauen. Eine Entscheidung dazu ist bisher immer wieder verschoben worden. Sie wird nicht vor den Wahlen im Jahr 2002 erwartet. Dem Wachstum des Flugverkehrs insgesamt hat das nicht geschadet. London ist mit 100 Mio. Passagieren auf seinen 5 Flughäfen das größte Flughafensystem der Welt.

Diskussion:

Fage: Können Sie etwas zu Nachtflugrestriktionen in England sagen? Rowcliffe: Hier habe ich das Regelbuch mitgebracht - ein furchtbar kompliziertes System. Ich werde Ihnen in Kürze eine Zusammenfassung erstellen und dem Rhein-Main-Institut zuleiten. Ganz kurz: es gibt eine weite Nachtflugzone, die von 23.00 Uhr bis 7.00 Uhr reicht und eine engere, die von 23.30 Uhr bis 6.00 Uhr reicht. Es gibt eine Lärmkontingentierung, die die Flughäfen durch wenige laute oder mehrere leise Flüge ausschöpfen können.

Frage: Es heißt, das Londoner System mehrerer Flughäfen sei ineffizient. Tatsächlich arbeitet Heathrow aber effizienter als Frankfurt, das zeigen viele Effizienzmaße. Könnte es nicht sein, dass gerade das Flughafensystem mit der Verteilung der Passagiere auf die entsprechenden Flughäfen die Effizienz fördert? Rowliffe: Da bin ich kein Experte. Pompe (Lufthansa): Die Effizienzdifferenz rührt daher, dass in Heathrow mehr internationaler Verkehr geflogen wird und dass im Einzugsbereich der Flughäfen mehr Menschen wohnen als in Frankfurt.

Frage: Wie dirigiert die BAA die Airlines zu den verschiedenen Londoner Flughäfen? Oder anders formuliert: wie bringt man Airlines dazu, nicht nur vom Hauptflughafen, sondern von kleineren Randflughäfen zu fliegen? Rowcliffe: Das ist genau die Frage. Da weiß ich aber zu wenig Bescheid. Pompe (Lufthansa): Keine Stellungnahme.

 

Wolfgang Zörner

Hub-Manager, Air France Cargo

Herr Zörner erläuterte das Konzept der Air France und ihrer Allianzpartner. Der Flughafen Hahn spielt eine wichtige Rolle im internationalen Konzept der Allianz.Anlass, sich Hahn zuzuwenden, waren die Engpässe auf dem Flughafen Paris CDG. Wegen ungünstiger Slots, Verspätungen und Staus wurde für die Verteilung der Fracht vom Flughafen Paris in die Bestimmungsorte im Großraum Paris in der Vergangenheit viel Zeit verbraucht. Der Weg über Hahn ist so effizient, dass sich die Transportzeiten (Transport der Fracht auf dem LKW von Hahn nach Paris, wo man direkt die Empfänger ansteuert) um mehrere Stunden verkürzt haben.

 

 

Die Pluspunkte von Hahn für die Air France sind die Flexibilität des Flughafens, insbes. die Möglichkeit, die Infrastruktur nach eigenen Wünschen zu modellieren. Schwierig ist die Beschaffung qualifizierten Personals. Nur mit eigenen Weiterbildungsanstrengungen sei es möglich, die nötigen Fachleute zu erhalten.

Zörner nutzte die Gelegenheit, vom Flughafen weitere Infrastrukturmaßnahmen zu fordern: eine längere Startbahn und ein Vorfeldausbau als Muss; eine zweite Startbahn und eine Schienenverbindung Richtung Trier / Luxemburg sollten zumindest angedacht werden.

Diskussion:

In der Diskussion wurden vor allem Zörners Infrastrukturforderungen kritisch hinterfragt und die Notwendigkeit aller von ihm gewünschten Investitionen bezweifelt.

 

Caroline Baldwin

Managerin Ryanair, Dublin

Frau Baldwin stellte das Konzept der Ryanair dar. Die Wachstumsraten, die seit Anfang der 90er Jahre erreicht wurden, beeindruckten die Zuhörer. Ryanair positioniert sich als Low-Cost-Carrier. Frau Baldwin konnte zeigen, dass damit nicht nur Nischen belegt werden können. Auf der Strecke Dublin-London ist Ryanair der wesentliche Anbieter; die Strecke hat seit sie von Ryanair beflogen wird, einen enormen Aufschwung genommen.

Ryanair baut sukzessive eine Strecke nach der anderen auf. Als Low-Cost-Carrier bevorzugt man kleine Flughäfen in der Nähe der Ballungsgebiete. Ryanair hat festgestellt, dass es nicht unbedingt nötig ist, aus dem Herzen eines Ballungsraumes abzufliegen. Wenn der Preis stimmt, sind die Kunden bereit, auch weite Fahrten in Kauf zu nehmen. Der Passagier, der von Kiel nach Hahn reiste, um mit Ryanair zu fliegen, ist vielleicht die Ausnahme – beleuchtet aber die Situation.

Frau Baldwin wandte sich gegen die Vermutung, auf großen Flughäfen ginge alles effizienter zu als auf kleinen. In Frankfurt z.B. seien kurze Turnaround-Zeiten überhaupt nicht zu erreichen, selbst bei idealen Bedingungen nicht. In Hahn dagegen könne nach 25 Minuten bereits wieder geflogen werden.

Diskussion:

Frage: Ich höre, dass in Hahn Dinge möglich sind, die in Frankfurt nicht erreichbar sind. Das freut mich. Was mich stört ist, dass Sie, Herr Zörner und Dr. Langen immer nach zusätzlichem Geschäft rufen. Was ist denn mit Verlagerung? Muss denn alles immer zusätzlich sein? Baldwin: Ryanair ist ein Newcomer und kam zusätzlich. Aber sicher haben wir auch anderen Airlines mit unserem guten Konzept Geschäft weggenommen. Insofern hat auch eine Verlagerung stattgefunden.

 

Hans-Peter Griesheimer

Direktor, Arbeitsamt Frankfurt

Herr Griesheimer beleuchtete die Arbeitsmarktzahlen und versuchte, zwei Fragen zu beantworten: wie entwickelt sich der Arbeitsmarkt augenblicklich und wie wird der Arbeitsmarkt im Jahr 2006 aussehen, wenn der ausgebaute Flughafen betriebsbereit sein könnte.

Der Höchststand der Arbeitslosigkeit war 1997. Heute haben wir 30% weniger Arbeitslose in der Region. Es gab einen Beschäftigungsrückgang im gewerblichen Bereich, der überkompensiert wurde durch den Dienstleistungssektor.

Der Rückgang der Arbeitslosigkeit ist nicht nur im Ballungsraum zu spüren. Auch die strukturschwachen Gebiete in Rheinland-Pfalz haben enorme Verbesserungen erlebt. Dasselbe gilt für Odenwald oder Spessart.

Wenn man derzeit von einem Mangel an Jobs sprechen kann, dann nur im Bereich der einfachen Tätigkeiten – "Bad Jobs" genannt – vor allem wegen des hohen Ausländeranteils im Rhein-Main-Gebiet. Aber selbst bei diesen einfachen Jobs haben Arbeitgeber Probleme, Leute zu bekommen.

Herr Griesheimer schloss endrucksvolle Beispiele für die Lage in verschiedenen Arbeitsamtsbezirken an.

Für Großprojekte müsse es Zuwanderung geben. Aber heute schon kommen Arbeitnehmer aus einem Einzugsbereich von 100 und mehr km. Wohin soll das noch führen? Will man dieses Einpendeln noch weiter ausdehnen? Täglich aus Fulda anzureisen, um in Frankfurt zu arbeiten, ist im Grunde unzumutbar. Eine kontrollierte Zuwanderung ins Rhein-Main-Gebiet muss geplant werden. Dazu gehören auch Schulen und Kindergärten. Die engere Umgebung bietet quasi keine Reserven mehr. Zuwanderung aus dem deutschen Osten ist nicht der Weisheit letzter Schluss. Zur Mobilisierung der sog. Stillen Reserve sind größere Veränderungen bei den Rahmenbedingungen erforderlich, wofür auf absehbare Zeit keinerlei Bereitschaft besteht.

Das größte Problem der Zukunft wird nach Griesheimer also sein: woher bekommen wir die Arbeitskräfte? Dazu trägt die bald erreichte Vollbeschäftigung im Rhein-Main-Gebiet ebenso bei wie die demographische Entwicklung. Der Rückgang der Bevölkerung setzt in den nächsten Jahren ein und wird 2030 mit 10-12 Mio. weniger Erwerbstätigen eine beachtliche Größenordnung erreichen. Was fehlt, ist eine Gesamtplanung dieses Prozesses. Der Flughafenausbau hat eine Größenordnung, die es erforderlich macht, ihn in einer Gesamtplanung einzubeziehen.

Diskussion:

Frage: Wäre der Fall, dass der Flughafen schrumpfen muss, für das Rhein-Main-Gebiet eine Katastrophe? Wie flexibel reagiert unser Ballungsraum auf heftige Branchenbewegungen? Griesheimer: Den Rückgang von Branchen erleben wir immer wieder; das ist nichts neues. Die Flexibilität unserer Region ist enorm hoch. Schauen Sie auch nach Bonn, wie dort der Strukturwandel bewältigt wurde.

Statement (aus dem Publikum): Im Kennedy-Airport New York haben wir seit 1975 eine Abnahme der Flugbewegungen erlebt bei einer Zunahme von Passagieren und Arbeitsplätzen. Frankfurt sollte sich hieran ein Beispiel nehmen. So kann man Arbeit und Wachstum schaffen, ohne Belastungsmehrung für die Bevölkerung.

Statement: (Becker, FAG) Die Kausalität Flugbewegungen und Arbeit ist da. Sie kann nicht weggeleugnet werden. Dieses Jahr haben wir 7,7% mehr Passagiere – wir schaffen Wachstum. Die Arbeitnehmer kommen zu Hunderten zum Flughafen von weit her, um hier ihrem Job nachzugehen. Das ist Fakt.

Statement (Mutter aus dem Publikum): Denken Sie denn nicht an die Menschen. Schon wieder 7% mehr. Wohin soll denn die Belastung noch gehen. Man kann ja nur noch wegziehen! Will man das wirklich? Will uns hier denn keiner mehr haben?

 

Prof. Dr. Richard Vahrenkamp

Universität GH Kassel

Richard Vahrenkamp unternahm der Intention der Tagung folgend eine Tour d'Horizon, die verschiedene Aspekte denkbarer Alternativen und unterlassener Alternativenprüfungen im Mediationsverfahren umfasste.

Heiterkeit riefen seine Ausführungen zur Möglichkeit des Baues eines neuen Flughafens im Raum zwischen Mainz und Worms hervor. Die Gegend sei dünn besiedelt; die Lärmschäden des Flughafenbetriebes seien deshalb gering. Gleichwohl sei der Standort nahe genug am Ballungsraum, so dass attraktive Anreisezeiten erreichbar wären. Die Heiterkeit der Anwesenden, die den Vorschlag für gänzlich unrealisierbar hielten, kontrastierte mit den Äußerungen einer Mutter zum vorhergehenden Referenten, die die zunehmende Lärmbelastung – in diesem Jahr allein wieder 7% Wachstum – beklagte. Es wurde der Widersinn deutlich, dass man den – wenigen – Anwohnern der Region Worms, die nicht weniger häufig fliegen als die Frankfurter, das nicht zumuten will, was man den – dicht gedrängten – Massen des Rhein-Main-Gebietes ganz natürlich zumutet: eine immer weiter steigenden Belastung mit Fluglärm.

Vahrenkamp zeigte anhand von Beispielen anderer Flughäfen, dass man selbstverständlich ein Hub-Splitting vornehmen könne. Er zeigte anhand der Flugpläne, dass Heathrow und Gatwick gleiche Ziele bedienen. Die These der Mediation, dass Frankfurt bei Nichtausbau nicht nur auf Wachstum verzichte, sondern auch die Hub-Funktion verliere, sei von der Realität widerlegt.

Vahrenkamp regte an, Frankfurt auf 450.000 Flugbewegungen zu begrenzen. Dann würden die marktwirtschaftlichen Prozesse des Strukturwandels in Gang kommen und die Airlines würden sich Alternativstrategien überlegen. Hahn, München und andere Flughäfen würden stärker genutzt.

Vahrenkamp warf der Lufhansa vor, das Ruhrgebiet zu vernachlässigen. Das ständige Reden der Lufthansa nach Standorten mit ausreichendem Grundbedarf schreie doch geradezu nach einem starken Stützpunkt im Ruhrgebiet.

Neben den vier ausführlicher diskutierten Alternativen (Worms, Hahn, Ruhrgebiet und Nordhessen) sprach Vahrenkamp mit den geplanten Flughäfen in Berlin-Brandenburg und Berlin-Stendal in der Altmark (Sachsen-Anhalt) sowie im Ausland weitere Alternativen an. Zu behaupten, die Luftverkehrsindustrie sei auf Frankfurt angewiesen, sei töricht.

Vahrenkamp führte schließlich aus, dass die Konzentration der Airlines auf Frankfurt das Ergebnis einer falschen Kostenzuordnung sei: Wenn die Airlines die Lärmopfer marktgerecht entschädigen müssten, hätten sie sich schon längst Alternativen zu Frankfurt gesucht. Das veraltete Fluglärmgesetz schütze die Airlines, nicht die Bürger. Es sei ein Gesetz im Stil der 60er Jahre: fortschrittsgläubig und industriefreundlich. Mittlerweile sei der Luftverkehr aber in Dimensionen vorgestoßen, die ein Weitermachen im alten Stil verböten.

Diskussion:

Statement: (Pompe, Lufthansa) Ihre Vorstellungen sind sehr visionär, aber wenig praktikabel. Die LH vernachlässigt das Ruhrgebiet nicht. Für einen Hub braucht man lokales Aufkommen. Da bestehen im Ruhrgebiet Risiken.

Frage: Berlin kommt. Warum wird das nicht bei den Ausbauplänen für Frankfurt berücksichtigt? Vahrenkamp: Das muss natürlich berücksichtigt werden.

Frage: (Vertreter der Stadt Frankfurt) Wir suchen nach einem Verfahren der gesamtwirtschaftlichen Vorteilsanalyse des Flughafenausbaus, das gerichtlich anerkannt ist. Gibt es welche? Vahrenkamp: Bin ich überfragt.

Statement: (Vertreter der FAG) Denken Sie an die Zeit, die es braucht, bis ein neuer Flughafen realisiert ist. Was macht man bis dahin? Das Wachstum ist heute!

Statement: (Gaefges, Vertreter der Airlines) 2-Hub-Lösungen sind wirtschaftlich ungünstig. Man muss doppelt so häufig im Zubringerverkehr und zudem mit nicht ausgelasteten Maschinen fliegen. Vahrenkamp: Gatwick / Heathrow zeigen, dass es geht.

 

Prof. Dr. Roland Conrady

FH Heilbronn

Ausgehend von einer Analyse der Ist-Situation des Flugverkehrs in Deutschland setzte sich Roland Conrady mit 7 Alternativvorschlägen zum Flughafenausbau auseinander. Er stellte die denkbaren Szenarien dar und bewertete sie, in dem er vorteilhafte Punkte und Risiken gegenüberstellte. Schließlich gab er seine Einschätzung hinsichtlich der Gesamtvorteilhaftigkeit bekannt.

Lösung 1 wäre eine Verlagerung von Passage-Linienverkehr auf andere Flughäfen. Hier sieht Conrady geringe Entlastungseffekte für Frankfurt. Nur Erbenheim wäre eine brauchbare Alternative mit deutlicher Entlastungswirkung.

Lösung 2 wäre die Einbeziehung eines nahegelegenen Flughafens in den Umsteigeverkehr. Dies würde deutliche Komforteinbußen bringen und würde zur Abwanderung von Kunden zu anderen Flughäfen und Carriern führen.

Lösung 3 wäre ein duales Hub-System. Die kritische Masse für den zweiten Hub müsste aber erst einmal erreicht werden. Der massive Ausbau von München wäre u.U. sinnvoll. Wirtschaftswachstum würde natürlich aus dem Rhein-Main-Gebiet exportiert. Vorbilder im Ausland existieren. Aber British Airways sei mit der Situation Heathrow – Gatwick nicht glücklich. Jeder Hub brauche kritische Masse. Ob das in Deutschland erreichbar sei, sei mit großen Fragezeichen zu versehen. Immerhin ist die Lösung denkbar.

Lösung 4 ist die Angebotsverlagerung von Charterverkehr. Dies würden die Konsumenten sogar teilweise akzeptieren. Die Reaktion der Reiseveranstalter ist aber unabsehbar und die Lufthansa würde geschwächt.

Lösung 5 ist die Nutzung schwach belasteter Flughäfen für Cargo. Das würde aber wegen Effizienzeinbußen die internationale Spitzenstellung von Deutschland im Frachtverkehr gefährden.

Lösung 6 ist die Verlagerung von Zubringerverkehr auf Straße und Schiene. Hier ist die Akzeptanz der Reisenden schwierig zu kalkulieren.

Lösung 7 ist die bessere Auslastung des Systems. Diese Lösung ist sehr anspruchsvoll und erfordert erhebliche Anstrengungen der Airlines. Ein Hub braucht, damit er attraktiv ist, eine hohe Frequenz von Flügen. Deshalb muss mit kleineren Flugzeuggrößen geflogen werden.

Zur Flexibilität und Änderungswilligkeit der Airlines führte Conrady aus, dass es über Jahrzehnte entwickelte Netzwerke gebe, die sich bewährt hätten und die man nicht so ohne weiteres über Bord werfen sollte.

Zur Flexibilität der Passagiere sagte Conrady, dass die Flugpassagiere anspruchsvoll, qualitäts- und preissensibel seien und nicht alles mitmachen würden. Verlagerungen zu anderen Flughäfen würden deshalb mit großen Risiken behaftet sein.

In der Konsequenz sprach sich Conrady uneingeschränkt nur für den Ausbau von Erbenheim aus. Mit Einschränkungen empfahl er den dualen Hub.

Diskussion:

In der Diskussion wurde Herrn Conrady nach seinen empirischen Grundlagen und methodischen Ansätzen gefragt. Einen Antwort blieb er jedoch schuldig.

 

Matthias Möller-Meinecke

Rechtsanwalt, Fachanwalt für Verwaltungsrecht

Möller-Meinecke erläuterte die Notwendigkeit einer intensiven Alternativenprüfung im Raumordnungs- und Planfeststellungsverfahren. Die Pflicht ließe sich zunächst direkt aus dem verfassungsrechtlichen Verhältnismäßigkeitsgrundsatz ableiten.

Das Mediationsverfahren hat bedenkliche Lücken in der Alternativenprüfung offenbart. Diese Lücken müssen geschlossen werden.

Zu den Alternativen, die ernsthaft geprüft werden müssen, gehört auch der Verzicht auf den Flughafenausbau. Erst Recht muss die Aufteilbarkeit der Aufgaben auf mehrere Flughäfen geprüft werden.

Die Alternativenprüfung ergebe sich auch aus dem Regionalplan für Südhessen. Dieser Plan ist von den Kommunen verabschiedet worden und spricht sich eindeutig nicht für einen Flughafenausbau aus. Ein solcher Gemeindebeschluss kann nicht einfach durch ein Raumordnungsverfahren, das der intensiven Alternativenprüfung keinen Raum widmet, übergangen werden.

Notwendigerweise müssen alle Vor- und Nachteile des Ausbaus und der Alternativen nicht nur erwähnt, sondern auch bewertet werden.

Möller-Meinecke wies auf die Alternativen hin, die derzeit im Entstehen begriffen seien. Berlin-Stendal und Berlin-Brandenburg würden kommen und müssten in die Prüfungen einbezogen werden. Daneben muss europäisch gedacht werden. Eine Prüfung der Alternativen im regionalen oder deutschlandweiten Maßstab reißt Zusammenhänge auseinander und ist intolerabel.

Diskussion:

Wegen der fortgeschrittenen Zeit wurde auf die Diskussion verzichtet.

 

Prof. Dr. Friedrich Thießen

Universität Chemnitz

Gegen 18.55 Uhr wurde die Versammlung beendet.